Play Retro – Eye of the Beholder – Von Geschichte(n) und Spielen

Beholder Skulptur
Beholder Skulptur

Im Jahre 1974 anno dazumal erfanden drei nerdige Typen (Gary Gygax, Dave Arneson und Dave Weseley) das bekannteste und meist verkaufteste Pen and Paper Rollenspiel überhaupt. Hauptsächlich ging es da mit einigen Mitspielern hinab in fiktive Verliese zu einem Dungeon Crawl. Die Rede ist vom legendären Dungeons and Dragons. Was folgt ist ein grober historischer und spielmechanischer Abriss über Pen and Paperspiele, Computerrollenspiele und ein kleines Entwicklerstudio, was später auch als Publisher, mit D&D Lizenzen groß wurde.

Dungeoncrawls kennt man heute hauptsächlich von Computerspielen, vornehmlich aus der Rollenspielsparte, wo es immer mal wieder unterirdische Verliese und Höhlensysteme zu erkunden gibt, um diverse Aufgaben zu lösen und Schätze sowie bessere Items einzuheimsen.

Dungeon and Dragons war und ist der Urvater der Pen and Paper Rollenspiele überhaupt. In seinen Anfangszeiten wurde am Spieltisch – es gab einen Dungeon Master (jaja, so hieß der Spielleiter dort) und mehrere Mitspieler, die im Spiel irgendwelche Helden verkörpern – vornehmlich in unterirdischen Verliesen gespielt. Zu Beginn jeder Spielrunde gab es eine kurze Einleitung irgendwo in einer Taverne und dann ging es oft ziemlich schnell und ohne Umwege in ein gemauertes Höhlensystem, was meist irgendwo in der Pampa verbaut war.

Ein damals typischer Dungeoncrawl lief wie folgt ab: Die Heldengruppe stand vor einer Tür, es wurde gewürfelt um die Tür durch irgend ein Talent (Schlösser Knacken oder brachiale Gewalt) zu öffnen. Ein weiterer Würfelwurf hat angezeigt, was für Monster und Schätze im Raum vorhanden waren. Jetzt wurde kräftig gewürfelt um die Gegner zu besiegen und um Reichtümer und nützliche Items ans Tageslicht zu bringen.

In den Folgejahren – Dungeons and Dragons war der Großvater aller Pen and Paper Rollenspiele – erschienen immer mehr solcher Spiele am Markt. Die meisten haben die Grundmechaniken von D&D genommen (Lebenspunkte, Magie, Klassen und Rassen, Leveln und dergleichen) und bauten ihre eigenen Regeln und Mechaniken drumherum. Etliche dieser Spiele haben noch mehr geboten, als den reinen Dungeoncrawl. Der Fokus hat sich im Laufe der Zeit auf Storytelling (neudeutsch für das Erzählen von Geschichten) verlagert. Die Leute wollten nicht nur in Verliesen nach Schätzen suchen und Orks den Gar aus machen, sie wollten Krimis nachspielen, Abenteuer in anderen Settings (Sci-Fi, Steampunk…) erleben.

Als Ende der 70er Jahre Computer aufkamen und Mitte der 80er – durch Kisten wie C64, Amiga, Spectrum, Amstrad CPC und andere Konsorten sowie Konsolen – populär wurden, gab es immer wieder Entwickler, die die Mechaniken von Dungeons and Dragons auf diese neuen digitalen Dinger übertrugen. Im Vergleich zum klassischen Pen and Paper brauchte man nur einen Rechner, um die tollsten Abenteuer zu erleben. Beim analogen Tischpendant brauchte man im Zweifel immer noch mehrere Mitspieler und einen begnadeten Spielleiter (Meister, Dungeon Master), um Spaß zu haben. Durch die riesige Verbreitung von (A)D&D lehnten sich viele Computerrollenspiele ziemlich stark an das Pen and Papervorbild an – mal mehr, mal weniger.

Los ging es Ende der 70er Jahre mit textbasierten Rollenspielen an großen Universitätsrechnern, wo Spieler mit- und gegeneinander in riesigen (und in langen Texten beschriebenen) Dungeons spielen konnten. Diese Art von Spielen nannte man Multi User Dungeons (kurz MUD) und waren direkte Vorläufer von Spielen wie World of Warcraft. Im Laufe der Jahre und mit immer besseren Computern und Konsolen haben sich dann immer mehr Rollenspiele und Subgenres herausgebildet. So erschienen dann zum Bleistift Größen wie die Ultimareihe oder Wizardry und in Japan dann noch einmal spezialisiertere Rollenspiele, JRPG genannt, die es storytechnisch in sich haben und eigene Mechaniken hinzugefügten. Final Fantasy ist eine der großen bekannten Rollenspielreihe aus Japan, wenn nicht die bekannteste und beste schlechthin.

Eins dieser Subgenres waren die rundenbasierten Computerrollenspiele wie Die Nordlandtrilogie oder The Bard’s Tale. Weiterhin gab es später Actionrollenspiele (in Echtzeit ablaufend) wie die Elder Scrolls Reihe oder Diablo, die allerdings in den 90er Jahren auftauchten.

Und dann gab es einen Zweig, der war quasi der Neandertaler unter den Rollenspielen. Der brachte einige Neuerungen mit sich, die dann in andere Nachfolgende Spielgattungen eingeflossen sind, selbst aber ausgestorben ist. Zu diesr Gattung gehören die klassischen Dungeoncrawls in Egoperspektive wie Dungeon Master und einige folgende Spiele. In den 80er und den frühen 90er Jahren waren hauptsächlich rundenbasierte Rollenspiele das Non plus Ultra. Später in den 90er Jahren wurde es dann mit Diablo oder The ElderScrolls sowie Final Fantasy actionlastiger. Immer mehr Aktionen liefen in Echtzeit ab. Bis dahin musste allerdings noch einiges geschehen.

1987 kam Dungeon Master und später ab 1990 die Eye of the Beholder Reihe, aber auch Ultima Underworld (Echtzeitbasiert) und mischten Elemente aus beiden oben genannten Rollenspielarten (Action und Rundenbasiert). Die Dungeon Master ähnlichen mischten Echtzeitelemente (Echtzeitkämpfe) mit der typischen Kachelbasierten Zugweise aus den rundenbasierten Rollenspielen, wie man die Kampfsysteme und Fortbewegung aus der Nordlandtrilogie kennt.

Dungeoncrawls haben im Prinzip das Beste aus beiden Welten genommen, aber wirkliche Rollenspielenthusiasten kommen bei dieser Spielegattung leider nicht ganz zum Zug. Eye of the Beholder, Dungeon Master und andere aus dieser Spielegattung haben das ganze System vom Aufleveln eines Helden vereinfacht in dem alles im Hintergrund unter der Haube abläuft. Man levelt seine Truppe zwar durch Aktionen wie Angriffe auf Monster auf und damit auch das Talent, was man damit braucht, aber damit hat sichs. Einige Rollenspielenthusiasten würden sich sicher mehr Einfluss aufs Skillen wünschen.

Auch in den Pen and Paper Rollenspielsystemen tat sich einiges. Die ersten Systeme wie Dungeons and Dragons waren noch recht kampflastig. Auf Rundenkämpfe gab es Erfahrungspunkte. Hatte man eine gewisse Schwelle erreicht, so konnte man seinen Charakter aufleveln. Das haben viele Computerrollenspiele in den 80er und 90er Jahren übernommen. Vampire the Masquerade war in den 90er Jahren recht inovativ und setzte mehr auf das Erzählen von Geschichten zwischen den Spielern. Der Spielleiter fungierte hier mehr als Moderator.

Andere Systeme passten in späteren Editionen das sperrige Levelsystem an. War es anfangs noch abhänig vom Würfelglück, konnte man später Erfahrungs und Abenteuerpunkte direkt auf Talente und Zauber verteilen. Damit wurde garantiert, daß diese Werte anstiegen, eine bessere Progession wurde damit erreicht. Diese Neuerung hatte zum Beispiel die vierte Regeledition von Das schwarze Auge eingeführt. Anders ging man schon in den 80er Jahren beim Sci-Fi-Spiel Traveler vor. Nutzte man ein Talent häufig, wurde das gesteigert. Actionlastige Computerrollenspiele wie Elder Scrolls übernahmen diese Mechanik eins zu eins aus den Pen and Paper Rollenspielen.

So ab in der zweiten Hälfte der 80er erschien ein kleines Entwicklerstudio mit dem grandiosen Namen Strategic Simulations Inc.SSI – auf der Bildfläche, was Lizenzen an Dungeons and Dragons erworben hat. Ab 1988 erschien im Jahrestakt bis weit in die 90er Jahre hinein die Goldboxreihe. Pool of Radiance war der Auftakt. Die meisten dieser Goldboxgames spielten in den (A)D&D Welten (oder Settings), vornehmlich in der Welt Krynn von Dragonlance (neudeutsch für die Drachenlanze) oder in den Forgotten Realms, den vergessenen Welten.

Ja, die Drachenlanze. Das waren mehrere Romanzyklen, die in der Welt von Kryn gespielt haben. Die erste Ausgabe, die in Deutschland so in den späten 80er Jahren bis hinein in die 90er Jahre erschien, beinhalteten insgesamt 75 einzelne Bände. Aus irgend einem Grund (wahrscheinlich Profitmaximierung) wurden die Geschichten hier in Deutschland bei Goldmann und Blanvalet gesplittet und in gut verdaulichen Häppchen verkauft.

Eye of Beholder 2 - Cover
Eye of Beholder 2 – Cover

Just zu jener Zeit erschienen beim gleichen Publisher auch Eye of the Beholder und Eye of the Beholder 2: Legend of the Darkmoon, sowie Assault on Myth Drannor. Man nahm sich die Mechaniken von Dungeon Master, ein bisschen mehr Farbe als bei Dungeon Master, die altbekannten Regeln von Advanced Dungeons and Dragons (AD&D) und hat alles zu einem einzigartigen Dungeon Crawl im Sinne von Dungeon Master und Ultima The Stygian Abyss zusammen geschmissen.

Entwickelt wurden die ersten beiden Teile von Eye of the Beholder von den Westwood Studios, unter dem Publischer SSI. Der dritte Teil entwickelte SSI dann selbst.

Das erste Eye of the Beholder erschien 1990 und wurde inoffiziell als „Nachfolger“ vom 87 erschienenem Dungeon Master bezeichnet, denn nach Chaos Strikes back, dauerte es lang, bis ein Nachfolger für Dungeon Master erschien. Die Hintergrundstory tut wie in dem gesamten Spielgenre eher wenig zur Sache und ist nur schmückendes Beiwerk. Das gilt genauso wie für die beiden Nachfolger.

Im Prinzip müssen 4 Abenteurer, die genau wie in Dungeon Master schon vorgefertigt sind, ausgewählt werden, um in die Kanalisation der Stadt Deepwater abzusteigen und dem fiesen Magier Xanathar besiegen. Bei den beiden Folgeteilen ist die Geschichte genauso kurz und Prägnant erzähl. Um ähnliche finstere Machenschafter geht es auch in Eye of the Beholder II: Die Legende von Darkmoon und und EoB III: Assault on Myth Drannor.

Vom Spielablauf her unterscheiden sich alle drei Teile nicht vom Genre Urgestein Dungeon Master. Man schaut in der Egoperspektive in die Tiefe des unterirdischen Verlieses. Man stellt sich zu Beginn eine Gruppe aus 4 Abenteurern zusammen und erkundet die Dungeons der drei Teile. Im Verlauf muß man viele Rätselpassagen lösen (die im ersten Teil eins zu eins von Dungeon Master abgekupfert waren) und typische Monster aus den Forgotten Realms bekämpfen.

Mit diesen Aktionen bekommen die Helden Erfahrungspunkte, mit denen die in ihren Leveln aufsteigen, in denen dann die Attribute und Skills verbessert werden. Das geschieht meist im Hintergrund wie schon eingangs erwähnt nach den Regeln von Advanced Dungeons and Dragons.

Einen großen Unterschied zu Dungeon Master hat man beim Magiesystem gemacht. dazu ein kleiner Exkurs in die Literatur und Pen and Paper Welt zum Magiesystem

In der Rollenspielwelt haben sich im Prinzip zwei Magiesysteme entwickelt. Ganz speziell ist das vancianische System, was auf den Schriftsteller Jack Vance zurückgeht. In seinem Episodenroman „The dying Earth“ ging es um Zauberer, die ihre Sprüche jeden Tag oder nach Gebrauch neu erlernen mussten. Um wieder eine Metapher zu strapazieren – das System ist vergleichbar mit einem Köcher Pfeile, wobei die Pfeile die gemerkten Zaubersprüche sind. Sind die Zauber gesprochen und die Pfeile abgeschossen, so ist der Köcher leer.

In den allermeisten Rollenspielsystemen bestimmen Manapunkte wie schwer ein Zauber sein kann oder wieviel Schaden dieser machen kann. In Dungeons and Dragons im Allgemeinen und Eye of the Beholder im Speziellen ist jedoch die Intelligenz des Zaubernden wichtig, denn diese bestimmt im Endeffekt wie viel Zaubersprüche man behalten kann oder wie komplex die sein können. Manapunkte gab es nicht. Dieses System haben Gygax und Arneson eins zu eins in ihrem D&D Rollenspiel übernommen.

Das vancianische System kann man gespalten sehen. Manch einer sieht es als taktische Herausforderung sich für verschiedene Situationen ein Portfolio an Zaubersprüchen zusammenzustellen, andere finden dieses System als ein Klotz am Bein, bei dem sie nicht immer auf alles zurückgreifen können.

Im zweiten System, was die meisten anderen Rollenspielsysteme nutzen, sind die Zaubersprüche fest mit dem Magier verankert. Einmal gelernt oder durch einen Levelaufstieg freigeschaltet, können diese ständig (sofern genug Manapunkte da sind) beliebig oft gesprochen werden.

Eye of the Beholder setzt ganz nach alter D&D-Manier auf das Vancianische System. Bei einer Ruhepause müssen die Zauber wieder aufgefrischt werden. Das ist der erste große Unterschied zu Dungeon Master. Der zweite Unterschied ist, daß es fertige Zauber gibt, die man je nach Klasse entweder schon kann oder erst auf Schriftrollen finden muss. Diese Schriftrollen sollten in D&D und auch in EoB in Zauberbücher übertragen werden. Ist der Zauber einmal gelernt und angewendet, verschwinden diese Schriftrollen zumeist.

Bei Dungeon Master gab es 6 kleine Symbole, jedes dieser Symbole hatte eine bestimmte Funktion – ich hab das in einem der früheren Artikel bereits ausführlicher besprochen. Gewünschte Zauber mussten so zusammengeklickt werden.

Wesentliche Unterschiede zu Dungeon Master, waren farbige Interfaces und insgesamt ein bunteres Spiel. Auch konnte man in jedem Teil von EoB via Hexeditoren Charaktere verbessern (ein Cheat sozusagen). Ein weiterer Unterschied waren die Portale, die man mit bestimmten Schlüsseln aktivieren konnte und sich damit überall im Dungeon hin teleportieren wo man wollte. 1991, also gut drei Jahre vor Dungeon Master 2 wurden in Eye of the Beholder 2 auch Außenbereiche eingeführt. Leider war 1994 Dungeon Master, als es in Deutschland erschien, schon reichlich angestaubt was die Technik anging, was wohl an dem langen Zeitraum zwischen Entwicklung und Veröffentlichung lag.

Aber man hat die aus Dungeon Master berüchtigte Türpresse nicht eingebaut. Dort konnte man ein Monster drunter locken und die herunterrasselnde Tür hat dem Schaden zugefügt. Das mußte jetzt noch einmal heraus.

In einem früheren Artikel habe ich einen unter Windows gut spielbaren Dungeon Master Klon beschrieben. Fans beider Spieleserien haben zu diesem Klon auch eine Modifikation gebastelt, die in der selben Engine Eye of the Beholder recht gut spielbar gemacht haben. Zu dieser Mod ist eigentlich recht wenig zu sagen. Wenn man Return to Chaos auf einen USB Stick oder eine bisschen Festplatte entpackt hat, schiebt man die Datei dieser Mod einfach in den Modules Ordner und kan im Prinzip schon mit dem Spiel loslegen.

Fazit

Die Entwicklung von Rollenspielen und deren Mechaniken ist eine durchaus interessante Geschichte. Viel kann man in dem Buch Drachenväter, was ich vor geraumer Zeit hier auf meinem Blog beschrieben habe nachlesen. Daß sich Rollenspiele heutzutage solch einer erstaunlichen Beliebtheit erfreuen und ein solch erstaunlich fester Bestandteil der Pokultur sind, haben die Drachenväter 1974 bei der Veröffentlichung von D&D sicher nicht träumen lassen.

Eye of the Beholder läßt sich auch nach 30 Jahren noch recht gut spielen. Dungeon Master und EoB sind beide recht gut gealtert. Wer es etwas moderner will (aber leider ohne D&D Regelwerk unter der Haube) lädt sich einfach Legend of Grimrock. Gerade der zweite Teil davon fügt auch Außenbereiche zum Verlies hinzu.

Links

  1. Eye of the Beholder – Mod für Return to Chaos – 25 MB
  2. Custom Dungeons für Return to Chaos
  3. Download Return to Chaos V0.49 – ca 12 MB

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